Dieses Jahr können wir am 1. Mai nicht gemeinsam zur Kundgebung auf die Straßen gehen. Heißt das, dass wir dieses Jahr keine Präsenz zeigen und uns nicht mit anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der ganzen Welt solidarisieren können?
Natürlich nicht! Gerade dadurch, dass wir nicht hinausgehen, zeigen wir Solidarität. Solidarität für die Schwachen und Gefährdeten, Solidarität für unsere Mitmenschen und für unsere Gesellschaft. Es klingt ironisch, ist aber Fakt: Im Frühjahr 2020 ist körperliche Distanz der Ausdruck für ein solidarisches Miteinander.
Der DGB hat eine Vielzahl von digitalen Aktionsformen ins Leben gerufen, um an Kundgebungen zum Tag der Arbeit 2020 digital teilzunehmen.
Gerade in diesem Jahr ist es umso wichtiger, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Vordergrund zu stellen. Durch die gegenwärtige Krise wird viel wirtschaftlicher Schaden angerichtet. Was aber oft in der Berichterstattung zu kurz kommt: Dieser Schaden trifft stets zuerst die Schwächsten in der Bevölkerung. Es muss die Aufgabe der Politik sein, genau dort einzugreifen und diese Menschen zu schützen.
Wir stehen heute zusammen, um uns mit denjenigen zu solidarisieren, die durch ihre Umstände für die Lungenkrankheit COVID-19 besonders anfällig oder von ihr besonders bedroht sind. Das beinhaltet nicht nur Menschen mit Vorerkrankungen oder Menschen über einer gewissen Altersgrenze. Hier geht es auch um Menschen, deren Arbeit die Gesellschaft als essentiell ansieht – auch wenn sie bisher nicht so entlohnt wurde.
Wir halten heute zusammen, um die Interessen der Menschen, die unseren Wohlstand und das Funktionieren unserer Gesellschaft möglich gemacht haben, zu vertreten. Das Schlagwort in der Politik hierfür heißt jetzt „systemrelevant“. Respektbekundungen, Applaus und Schokolade sind schön, aber reichen nicht. Wir müssen als Gesellschaft offen darüber nachdenken, wie wir systemrelevante Berufe wie Krankenpfleger*in, Paketbot*in oder Supermarktkassierer*in in Zukunft insbesondere materiell besser schätzen lernen können. Das fängt bei der Entlohnung an und zieht eine Debatte über Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzssicherheit und Arbeitsschutz mit sich. Diese Menschen leisten eben nicht erst seit März 2020 eine Arbeit, auf die wir nicht verzichten können. Frauen sind hier, nicht nur weil sie öfter in Teilzeit arbeiten, sondern auch weil sie generell in vielen dieser Branchen massiv überrepräsentiert sind, die wichtigste demografische Gruppe. Zum Thema Geburtshilfe und Frauengesundheit haben wir übrigens am 5. Mai eine Online-Veranstaltung.
Wir rufen heute denjenigen Mut zu, die durch die Krise unverschuldet in Not geraten sind. Die sich durch die Digitalisierung ausbreitende „Gig Economy“, also die Arbeitswelt der selbstständigen und scheinselbstständigen Kleinunternehmer, ist eine hartes Brot. Durch die Krise ist vielen ihre gesamte Lebensgrundlage weggebrochen. Das gilt auch für Menschen mit Gelegenheitsjobs (etwa Studierende) und natürlich zahlreiche Kunstschaffende. Für die Zukunft brauchen wir Konzepte und Ideen, wie wir diesen Markt besser regulieren und steuern können, damit der Staat zukünftig nicht mehr das Personalrisiko von Unternehmen trägt, sondern diejenigen, die den meisten Profit aus diesem Arbeitsmodell tragen.
Das Virus kennt keine Landesgrenzen und unterscheidet auch nicht nach Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Glaube oder nach dem Lohnzettel. Das Virus betrifft uns alle gleich. Als Menschen. Trotzdem trifft COVID-19 nicht alle gleichermaßen: Sieht man sich in der Welt um, so merkt man, dass es die sozial Schwachen sind, die es zuerst trifft.
Aber diese Krise hat uns etwas gezeigt und viele haben es auch selbst erlebt: In unserem Land, in unserer Gesellschaft und auf der ganzen Welt steckt ein riesiger Wille zur Solidarität und ein großes Potential für Menschlichkeit.
Lasst uns genau das aus der Krise mitnehmen: Wir sind #SolidarischNichtAlleine.
Mitglied werden: